Die Olympischen Spiele 1932

Der äußere Hafen von Los Angeles, der im Westen durch das Vorgebirge Sao Pedro, im Süden durch einen 750 m langen Wellenbrecher geschützt ist, bietet dem Segler wegen der wechselnden Windverhältnisse ein sehr interessantes Revier. Am Morgen herrscht regelmäßig Flaute, am Vormittag setzt ein immer stärker werdender Wind ein, der am Nachmittag Windstärken von 10 bis 12 Sekundenmetern erreicht. Daher wurden die Regatten normalerweise für neun Uhr früh angesetzt; da aber für elf Rennen nur sieben Tage zur Verfügung standen, mußten wir auch um elf Uhr und um fünfzehn Uhr starten.

Der olympische Monotyp, der anstelle der in Amsterdam gesegelten 12-Fuß-Jolle trat, war beim ersten Anblick eine arge Enttäuschung. Als überzeugter Einheitszehner-Anhänger hatte ich mir von diesem Boot nicht viel erwartet, aber die Plumpheit und die unsorgfältige Ausführung übertraf alle meine Befürchtungen. Dabei kostet ein solcher Kahn 275 Dollar, also ungefähr gleichviel wie ein Einheitszehner. Bei näherer Bekanntschaft zeigte sich allerdings, daß das Boot überraschend schnell und wendig war, bei Flaute noch mehr als bei Wind, wo es aber infolge der geringen Eindeckung leicht Wasser übernimmt. Wegen der rohen Ausführung war die Qualität sehr verschieden, so daß von einem Einheitstyp eigentlich nicht die Rede sein kann.

Der Kurs war ein gleichseitiges Dreieck von einer Meile Seitenlänge, insofern nicht leicht zu segeln, da die im Hafen verankerte Kriegsflotte eine erkleckliche Menge von Abdeckungen bot. Die Länge betrug je nach Wind drei oder sechs Meilen, also ein- oder zweimaliges Absegeln des Kurses.

Die Boote wurden uns acht Tage vor dem ersten Start zu Verfügung gestellt, worauf ein heftiges Trainieren einsetzte, das sich hauptsächlich auf die Vormittagsstunden beschränkte, da der starke Wind nachmittags für die neuen Segel verhängnisvoll werden konnte. Dieser Umstand kränkte mich persönlich wenig, da ich dadurch in der Lage war, nachmittags die Wettkämpfe im Stadion zu sehen. Der Hafen ist vom Olympischen Dorf 25 Meilen entfernt. Wir fürchteten, daß wir während der Regatten im Californischen Yachtclub würden wohnen müssen, dann hätten wir von den übrigen Wettkämpfen nicht vier gesehen. Es wurden aber Autos zur Verfügung gestellt, so daß wir täglich frühmorgens zum Hafen und nach Beendigung der Wettfahrten ins Olympische Dorf zurückfahren konnten. Insgesamt waren zwölf Nennungen abgegeben worden. Laut Bestimmungen wurden die Boote nach jeder Fahrt gewechselt, die Segel hingegen ein- für allemal ausgelost und beibehalten.

Während der meisten Regatten herrschte Flaute oder leichte Brise, nur dreimal hatten wir kräftigen Wind und starke Wellen. Was meine Placierung betrifft, so war ich einmal bei Flaute Zweiter, bei leichtem Wind Vierter, bei starkem Wind je einmal Vierter und Fünfter; alles innerhalb der ersten sieben Rennen, die in sechs Tagen abgewickelt wurden. Während der weiteren Rennen, die wegen Zeitmangels in zwei Tagen ausgesegelt wurden, hatte ich mit dem Umstand zu kämpfen, daß ich eine fiebrige Halsentzündung bekam, die sich auf meine Regattaerfolge nicht gut auswirken sollte, was auch prompt bestätigt wurde. In den zwei Tagen kam ich über den achten Platz nicht hinaus. Im letzten Rennen hatte ich das Pech – an erster Stelle liegend – eine derartige Dampferwelle ins Boot zu bekommen, daß dieses halb voll lief und ich froh sein mußte, bei dem herrschenden starken Wind heil über Kurs zu kommen, wobei mir die Konkurrenten in Luv und Lee davonfuhren.

Der Verlauf des sechsten Rennens, bei dem ich Zweiter wurde, war folgender: beim Start war ich hinter dem Canadier Zweiter und behielt diesen Platz während des ersten Kurses, der eine Kreuzstrecke darstellte. Auf dem nächsten Kurs, der raum war, liefen mir Ratsey (England) und Mass (Holland) stark auf uns luvten mich in die Abdeckung eines Kriegsschiffes. Ich lag länger in der Flaute als die beiden, da ich den breiteren Schnitt des Abdeckungskegels zu durchqueren hatte. Glücklicherweise war ich aber höher am Wind, was sich bei der immer mehr von vorn einfallenden Brise als vorteilhaft erwies, da ich die Boje anlegen konnte, während Ratsey, Mass und das übrige Feld noch einen Schlag machen mußte. Auf dem folgenden Achterkurs war ich unangefochtener Zweiter hinter dem Canadier, der drei Minuten vor mir durchs Ziel ging.

Erstaunt war ich über die Nichtbeachtung der Wettsegelbestimmungen. Das Berühren einer Boje spielte gar keine Rolle, das Berühren von Konkurrenten wurde untereinander nach Übereinkommen geregelt. Ein von mir gegen Trelleani (Italien) eingereichter Protest, bei dem ich klares Wegerecht hatte, „was not allowed“.

Die Aufnahme durch den Californischen Yachtclub war überaus zuvorkommend und freundlich, jeder Wunsch in bezug auf Boote und Training wurde sofort erfüllt. Die 6-m-Klasse, die 8-m-Klasse und die Starklasse wurde außerhalb des Hafens auf offenem Meere gesegelt. In der 8-m-Klasse siegte Amerika gegen seinen einzigen Konkurrenten Canada, in der 6-m-Klasse dominierten die Schweden und die Starklasse, die sich sehr bewährte, gewannen die Amerikaner.

Wir hoffen, daß 1936 in Berlin weder der olympische Monotyp noch die 12-Fuß-Jolle gesegelt wird, sondern daß ein anderes Boot herauskommt, das allen Anforderungen gerecht wird und keine Wünsche unerfüllt läßt.

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Segelwettbewerbe dieser Olympiade von gutem sportlichen Geist getragen waren. Das Einvernehmen zwischen den Vertretern der einzelnen Nationen war ein vorbildliches; es gab nicht annähernd so viele Differenzen wie bei uns daheim. Wenigstens beim Segeln wurde einer der Zwecke der Olympischen Spiele aufs Beste erreicht: die Völker auf friedlicher Basis einander näher zu bringen.Der Autor Hans Riedl hat für den UYC Mattsee an den Olympischen Spielen 1932 in Los Angeles teilgenommen.